Gesellschaft CJZ Minden e.V.
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Minden e.V.
Leiterstr. 17
32423 Minden
Fon 01 60 / 50 56 97 4
E-Mail: nina_pape@gmx.de
Homepage www.gcjz-minden.de
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Ich habe anderthalb spannende Monate hinter mir. Seit meinem letzten Eintrag ist einiges passiert, weshalb ich auch erst jetzt wieder etwas schreibe. Ich habe noch ziemlich genau 3 Monate vor mir. Wie schnell die Zeit bisher vergangen ist. In der Zeit habe ich noch einiges vor, was bisher nicht möglich war.
Ende April, nur ein paar Tage nach meinem letzten Eintrag, begann unser viertes Seminar in diesem Jahr. Dieses Mal haben wir sehr viele Ausflüge gemacht, da wir ja nicht im Haus eingesperrt waren wie die letzten Male. Unter anderem fuhren wir nach Bethlehem und haben uns dort von einem palästinensischen Guide herumführen lassen. Das war extrem spannend, vor allem weil wir dann nachmittags, noch mit dem palästinensischen Guide, einen frommen Juden aus einem Settlement direkt neben Bethlehem getroffen haben. Die beiden haben uns dann zusammen weiteres gezeigt. Außerdem stellten sie uns das Projekt vor, wodurch sie sich kennen.
Ein Foto, das ich auf einem Spaziergang im kleinen Dorf
‚Ein Kerem‘ gemacht habe, das im Tal unterhalb
von unserem Viertel liegt
Ein extrem interessantes Projekt, wo sich israelische Siedler und Palästinenser aus der Westbank begegnen können, was sonst eigentlich unmöglich ist. Da die israelischen Siedlungen für Palästinenser nicht zu betreten sind und Israelis zumindest in Zone A von der Westbank verboten sind, gibt es wenig Wege für die beiden Seiten sich zu begegnen. Also hat dieses Projekt eine Art neutralen Grund außerhalb der Zone A in der Westbank geschaffen, auf dem sich die beiden Seiten begegnen und einander kennenlernen können. Es war extrem interessant die Geschichten beider Männer zu hören, die sehr unterschiedlich sind, und sie gleichzeitig freundschaftlich nebeneinander sitzen zu sehen.
An einem anderen Tag haben wir abends ein Iftar, also ein Fastenbrechen während des Ramadans, mit einer Familie aus Ostjerusalem gefeiert. Das war ebenfalls ganz wunderbar. Das ganze Seminar war von Begegnungen aller Art geprägt und extrem interessant. In meiner WG zumindest wurde es als das bisher beste Seminar bezeichnet.
Der Innenhof der Geburtskirche in Bethlehem. Drei Orthodoxe Juden am Shabbat auf dem Weg nach ‚Ein Kerem‘.
Was direkt danach passiert ist, wissen wohl die meisten. Schon vor dem Seminar hatte es Ausschreitungen in Ostjerusalem, am Damaskustor (dem von Menschen aus Ostjerusalem meistgenutzten Eingang zur Altstadt) und in Scheikh Jarrah gegeben. Wir hatten das natürlich alles verfolgt und hatten schon seit ca. 1-2 Wochen die Altstadt und den Bereich darum weitgehend gemieden. Ich werde mich in diesem „Blog“ nicht politisch äußern. Meine Meinung zu dem ganzen Konflikt tut nichts zur Sache und wäre nur fehl am Platz. Deshalb beschreibe ich nur meine Erfahrungen.
Am Montag, den 10. Mai 2021, war ich gerade in einem der Läden in unserem Viertel als die Sirene losging, die vor einem Raketenangriff warnt. Kurz darauf waren direkt hintereinander 5 oder 6 dumpfe, extrem laute Knalls zu hören. Die Leute, die auf dem Platz vor dem Laden, in dem ich war, standen, drängten in die anderen Läden drum herum, einige schrien. Ein paar Minuten nach den Knalls kamen einige wieder heraus. Fast alle waren am telefonieren, und als ich mich vorsichtig aber schnell auf den Weg nach Hause machte, kamen aus fast jedem Fenster die Klänge eines Nachrichtensenders, ob im Fernsehen oder Radio.
Zu Hause saßen wir eine ganze Weile einfach um den Küchentisch und versuchten die Lage zu begreifen und die Leute zu erreichen, die gerade nicht zu Hause waren.
ASF hat sich extrem schnell eingeschaltet und unser Landesbeauftragter hat einiges getan, um die Lage für uns einfacher zu machen.
Im Laufe der nächsten zwei Wochen kamen zwar keine Raketen mehr in Jerusalem an, aber dafür tausende im Rest des Landes, darunter viele auf Tel Aviv.
Ich stand unter einer Art Schock. Den Rest der ersten Woche verbrachte ich zu Hause, da es meinen Eltern und auch mir nicht geheuer war, den einstündigen Weg zum Archiv auf mich zu nehmen.
Wir alle waren in einer Art ständigem Informationsfluss untereinander und mit anderen. Man fragte nach jedem Angriff in Tel Aviv, ob es den Freiwilligen da gut geht und versuchte aber gleichzeitig sich abzulenken. Aber irgendwann gewöhnt man sich an alles. Die zweite Woche war schon einfacher, man lebte beinahe normal weiter, abgesehen davon, dass man halt ein bisschen unter Druck stand, da man nur auf einen weiteren Alarm hier wartete.
Letztendlich gab es keinen weiteren Angriff auf Jerusalem. Trotzdem waren wir alle echt mitgenommen und sehr sehr froh, als dann der Waffenstillstand verkündet wurde.
Für uns Deutsche, die in einer sicheren Blase zu Hause aufgewachsen sind, war das jetzt eine sehr sehr schwierige und neue Situation, aber wir haben es alle heile da durch geschafft.
Das Leben kehrte recht schnell wieder in „normale“ Bahnen zurück. Alle gingen wieder normal zur Arbeit, man ging abends aus und lebte einfach wieder wie vorher. Die Ausschreitungen in Ostjerusalem gehen immer noch weiter, aber es eskaliert nicht mehr so stark.
Ich glaube, wir gehen alle mit einer Lebenserfahrung mehr raus, auf die man bestimmt auch hätte verzichten können, die uns aber auch irgendwie erwachsener gemacht hat.
Seitdem war ich mal wieder in Tel Aviv bei den Freiwilligen zu Besuch, war bei kleinen Konzerten und habe mich wieder mit Freunden getroffen.
Im Archiv bearbeite ich derzeit eine weitere Privatsammlung. Ich glaube sie haben bemerkt, dass ich das gerne mache und jetzt werden die Privatsammlungen für mich aufgehoben.
Es macht mir wirklich Spaß mich durch diese Sammlungen durchzuwühlen. Die Briefe zu lesen, die Fotos anzuschauen und Sachen zu recherchieren, die ich nicht weiß.
In meiner derzeitigen Sammlung habe ich beispielsweise mehrere Impfbescheinigungen, darunter die älteste von 1889, entdeckt. Daraufhin musste ich erstmal nachschauen, wann der erste Impfstoff auf den Markt gekommen ist. Und so fand ich heraus, dass es den ersten Impfstoff gegen Pocken schon seit 1796 gibt! Dieser war ab 1812 Pflicht in Hessen und Bayern und ab 1875 im ganzen Deutschen Reich. Das war extrem spannend herauszufinden.
Ich liebe meine Arbeit sehr und kann seit heute sogar wieder meine beiden alten Ladies besuchen!!
Ich fühle mich noch immer sehr wohl hier, selbst nach den Ereignissen der letzten Wochen und hoffe noch viel zu erleben.
Liebe Grüße nach Minden und einen schönen Sommeranfang,
Janne
Ein im Studio gemachtes Portraitfoto eines Hundes, Ein Foto von mir in Tel Aviv beim Essen kurz vor einem Konzert.
das in meiner Sammlung lag.